Von der Pädagogik zur Mutterschaft

 

Spätestens mit der Geburt meiner Tochter wurde mir klar: das verändert nicht nur dein bisheriges Dasein als kinderlose, berufstätige Frau in einer Partnerschaft. Nein. Jeder Tag, jedes besondere Erlebnis als Mutter, trägt dazu bei, meine bisherige Sichtweise auf die Pädagogik, wie ich sie im Studium und im Beruf kennengelernt habe, zu korrigieren.  

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In meiner ersten Soziologie Vorlesung bei Herrn Prof. Dr. Heiko Kleve, erfuhr ich eindrücklich vom Erfahrungsschatz der "Unwissenden". Jener Situationen, die wir alle kennen. Irgendwo sind wir neu. In einem neuen Arbeitsverhältnis. In einer bis dahin fremden Situation, während alle um einen herum eben jener Situation sehr vertraut erscheinen, ja geradezu ihre Selbstverständlichkeit in der gegebenen Situation zelebrieren. "Betriebsblindheit" oder "Tunnelblick" sind dabei gern genommene Begriffe, um die Sichtweise der jeweils anderen, neuen KollegInnen zu beschreiben. Was uns da auffällt, bis zur vermeintlichen "Anpassung", sind aus soziologischer Sicht wertvolle Erfahrungen und hochgeschätzte Eindrücke, die dem alltäglichen Treiben des Unternehmens dienlich sein könnten. Noch scheint es eher unüblich, PraktikantInnen oder BerufsanfängerInnen - die eben diesen Blick noch nicht verloren haben - in die Reflexion hinsichtlich Effektivität und Optimierung des Betriebs mit einzubeziehen. Dabei erleben gerade BerufsanfängerInnen Momentaufnahmen, die langjährige Angestellte aufgrund der Nähe zum Betrieb nicht mehr sehen. 

Als mein Mann und ich das Krankenhaus mit unserer gerade vier Tage alten Tochter verließen, hatte sich schon einiges in unserer inneren Grundhaltung verändert. Zu mir als Frau. Zu meinen Mann als Vater. Zu uns beiden als Ehepaar. Zum Gefühl von Zeit. Zum Leben.

Jede Geburt ist eine Grenzerfahrung. Nein, es ist eine Grenzüberschreitung. Das Erlebnis der Geburt hat meines Erachtens eine körperliche und seelische Tragweite, die seinesgleichen sucht. In der Reflexion könnte ich meinen, dass ich ein Stück von mir aufgab, abgab, freigab, um neues Leben entstehen zu lassen. Schwangerschaft und Geburt sind unheimlich kräftezehrend und kostet sehr viel Energie. In sämtlichen Aspekten meines bisherigen Lebens musste (und wollte) ich einiges zurückstellen, um dem neuen Leben in mir Raum zu lassen. Dabei bilden Schwangerschaft und Geburt nur den Beginn davon. Erst in der Stillzeit wurde mir die Reichweite von "dem neuen Leben in mir Raum zu lassen" deutlich. 

 

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Mittlerweile ist meine Tochter 19 Monate alt. Nun promoviere ich in der Allgemeinen Pädagogik. Bevor ich also betriebsblind werde, die wertvolle Eigenschaft des "Nichtwissenes" gänzlich in dieser Hinsicht verliere und mein neues Dasein als Mutter sich so in mir einverleibt, möchte ich diese vorhandene Oberfläche nutzen, um meine Erfahrungen und Transformationen zur Mutter, vor dem Hintergrund der Pädagogik und meines Promotionsthemas, hier festhalten. Der Titel könnte auch Forschungstagebuch lauten, in dem schließlich alle Gedanken, Erfahrungen, Gelesenes, Verworfenes täglich zueinander finden, um dann aus betriebsblinden Beweggründen wieder auseinander zu gehen. 

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Kommentare: 1
  • #1

    mumami (Freitag, 27 April 2018 21:37)

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